Unser Besuch in der Erstaufnahmeeinrichtung Gera-Ernsee

Ende März besuchen wir im Rahmen unserer Lagerthour Thüringens „Ankunftszentrum“. Den Ort, den alle Schutzsuchenden, die seit Oktober 2015 neu nach Thüringen gekommen sind, kennen: die Erstaufnahmeeinrichtung Gera-Ernsee im ehemaligen Wismutkrankenhaus direkt neben dem Wald-Klinikum. Wir haben unseren Besuch angemeldet. Ohne vorherige Erlaubnis kann man die Sammelunterkunft nicht betreten. In der Regel ist es für die Bewohner*innen nicht möglich, Besuch zu empfangen. Mitarbeiter*innen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und des Thüringer Landesverwaltungsamt (TLVA) zeigen uns die Einrichtung und stellen sich unseren vielen Fragen. Uns interessiert vor allem der strukturelle Ablauf im eher geschlossenen System Erstaufnahmeeinrichtung. Zudem sprechen wir auch mit Mitarbeiter*innen der Diakonie.

Die Mitarbeiter*innen des DRK und des TLVA berichten uns, dass in Erstaufnahmeeinrichtung Gera-Ernsee Platz für 1000 Menschen sei. Momentan seien hier rund 200 Menschen untergebracht. Täglich kämen bis zu 20 Menschen neu an. Gleichzeitig würden jeden Montag ca. 50 – 80 Asylsuchende nach Suhl transferiert. In der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Suhl werden die Anhörungen für das Asylverfahren durchgeführt. Nach wenigen Tagen werden die Asylsuchenden dann auf die Landkreise verteilt.

Flur der Erstaufnahmeeinrichtung – Zimmerschlüssel erhalten die Bewohner*innen nicht.

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Unser Besuch in der Erstaufnahmeeinrichtung Gera-Ernsee

Denken Sie darüber nach in Ihr Herkunftsland zurück zu kehren?

Unser Besuch in einem Lager in Nordhausen 14.02.2017

Diesmal ist das Ziel unserer Lagertour ein Lager, das nicht im Nirgendwo liegt: ein Flüchtlingsheim direkt in der Stadt Nordhausen. Von außen sieht das Gebäude schick saniert aus, doch als wir die Zimmer besichtigen sind wir entsetzt: bis zu 13 Menschen müssen in einem Zimmer wohnen. Sie haben sich mit Laken und Planen kleine Abteile abgehangen. Metallspinte geben etwas Sichtschutz, ein kläglicher Versuch, wenigstens etwas Privatsphäre zu erlangen. Zudem betreten alle paar Stunden Mitarbeiter der Security ohne Anklopfen die Zimmer. Sie schauen wohl, ob alles in Ordnung ist, ob sich hier keine unangemeldeten Gäste aufhalten, wird uns berichtet. Die Bewohner fühlen sich dadurch permanent verdächtigt und kontrolliert. Die Türen besitzen keine Schlösser. Es besteht also nicht einmal die Möglichkeit abzuschließen. Anstatt an eine „Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge“, erinnert uns das an eine Notunterkunft aus dem Herbst 2015. Erschüttert fragen wir uns, wie man hier geschützt leben, geschweige denn nach einer Flucht zur Ruhe kommen soll.

Aus Sicht des Flüchtlingsrat Thüringen erinnern die Zimmer an eine Notunterkunft.

Wir unterhalten uns mit einigen Bewohnern. Sie erzählen uns, dass hier über 80 Männer untergebracht sind. Jedes Zimmer ist voll belegt. Sie sagen: „Hier werden die untergebracht, die keine Perspektive haben.“ Alle Bewohner sind Geflüchtete aus Ländern, denen keine sogenannte gute Bleibeperspektive zugesprochen wird. Schon der Begriff ist irreführend. Der größte Teil der Menschen wird in Deutschland bleiben. Zum Beispiel wird aus Thüringen niemand in das kriegsgebeutelte Afghanistan abgeschoben. Trotzdem werden diese Menschen hier zusammengepfercht und so zusätzlichen Perspektiven beraubt.

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Denken Sie darüber nach in Ihr Herkunftsland zurück zu kehren?

„Wann können wir umziehen?“ Anerkannte weiterhin in GU

Unser Besuch in Eckolstädt war die letzte Lagertour-Fahrt für das Jahr 2016. Im Weimarer Land gelegen, wohnen die Menschen in einem Plattenbau am Rande von Eckolstädt. Die meisten der dort untergebrachten Bewohner*innen haben bereits ihre Anerkennung als Flüchtlinge oder einen anderen Aufenthaltstitel. Es leben ausschließlich Familien aus Syrien oder dem Irak in dem Wohnblock, insgesamt rund 130 Personen. Unverständlich bleibt, warum die anerkannten Geflüchteten kaum Unterstützung bekommen, in eine eigene Wohnungen ziehen zu können. Diese Unterstützung fehlt trotz des Wunsches und des Rechts der Menschen, in eine eigene Wohnung zu ziehen.

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Mit Bewohner*innen, die vor der Unterkunft zum Rauchen stehen, kommen wir schnell ins Gespräch. „Es ist okay hier“ sagen sie. Die Wohnungen seien groß genug und die Sozialarbeiterin betreue die Menschen, wenn sie Hilfe benötigen. Nach den ersten Gesprächen werden wir in eine Wohnung eingeladen. „„Wann können wir umziehen?“ Anerkannte weiterhin in GU“ weiterlesen

„Wann können wir umziehen?“ Anerkannte weiterhin in GU

Tief im Wald – „Ich will weg von hier!“

Ende November brachen wir ein weiteres Mal auf, um für einen Tag die Gemeinschaftsunterkunft in Frauenwald zu besuchen. Ziel war es wie immer, einen Eindruck zu bekommen, wie es den dort wohnenden Menschen ergeht, was sie zufrieden stimmt, aber auch welche Verbesserungsmöglichkeiten es gibt oder mit welchen Schwierigkeiten sie konfrontiert sind.

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Nach einer Stunde Fahrt, tief in den Thüringer Wald, kommen wir bei den Wohnblocks in Frauenwald an. Momentan leben dort rund 60 schutzsuchende Menschen. Bei voller Belegung können bis zu 100 Menschen dort untergebracht werden. Die meisten derzeitigen Bewohner*innen sind aus Afghanistan geflüchtet, andere kommen aus dem Irak, Somalia, Eritrea oder Syrien.

In unseren Gesprächen mit den Menschen kommen wir schnell auf die Problematik der Lage Frauenwalds und die fehlende Infrastruktur vor Ort zu sprechen. Die nächste Einkaufsmöglichkeit ist in Schmiedefeld. Angebote, die über das Abdecken der Grundbedürfnisse hinausgehen, fehlen aber auch dort. Um etwa einen Sprach- oder Integrationskurs zu besuchen, müssen die Menschen mindestens 30 Minuten mit dem Bus nach Ilmenau fahren. Eine Hin- und Rückfahrt kostet fast 10€ am Tag. Die regelmäßige Teilnahme an Bildungsangeboten „Tief im Wald – „Ich will weg von hier!““ weiterlesen

Tief im Wald – „Ich will weg von hier!“

Vergessen in Sonneberg

10.08.2016, Sonneberg

An unserem dritten Tag der Lagert(h)our im August 2016 fahren wir nach Sonneberg. Nach knapp zwei Stunden Fahrt sind wir angekommen und treffen eine ehrenamtliche Unterstützerin vor Ort.  Sie hat eine Familie betreut, die bis vor kurzem noch in dem alten Fabrikgebäude wohnte. Dadurch hat sie weiterhin Kontakt zu den anderen Bewohner*innen, die dort untergebracht sind. Abgelegen im Industriegebiet befindet sich die Sammelunterkunft zwischen Bahngleisen und Lagerhallen. Ein Supermarkt liegt in der Nähe. Alle weiteren wichtigen Einrichtungen befinden sich dagegen rund vier Kilometer entfernt in der Stadt. Es gibt die Möglichkeit den Bus bzw. die Bahn zu nutzen, mit den begrenzten Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz, ist dies für die Bewohner*innen meist nicht aufzubringen. Die Strecke wird daher in der Regel mit dem Fahrrad, soweit die Menschen eines besitzen, oder zu Fuß zurückgelegt.

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Vergessen in Sonneberg

„Go home!“ Übriggeblieben in Sülzfeld

08.08.2016, Sülzfeld

Am Nachmittag des 08. August 2016 besuchen wir vom Flüchtlingsrat Thüringen die Gemeinschaftsunterkunft in Sülzfeld kurz vor Meinigen. Die leere, runtergekommene Theke im Eingangsbereich erinnert an das ehemalige Bordell plus Spielhalle.

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Wir werden von den Bewohnern der Unterkunft in den Gemeinschaftsraum gebeten. Die vielen Sofas und der Fernseher lassen den ca. 40 m² großen Raum einigermaßen gemütlich aussehen. Uns wird Tee und Cola gebracht.Ein Gespräch entwickelt sich: „Andere Geflüchtete, die in der Stadt untergebracht sind, können schon besser Deutsch als wir, weil sie mehr Kontakt mit Deutschen haben.“ Die Unterkunft liegt in einem kleinen Industriegebiet. Bis zum nächsten Supermarkt und ins Meininger Zentrum sind es acht Kilometer. Bis 18 Uhr fahren die Busse. Ein Ticket für die Hin- und Rückfahrt kostet 2€. Die Bewohner*innen haben sich selbst Fahrräder organisiert, mit denen sie mobil sind. Zumindest eine Ärztin und eine Kita befinden sich in Sülzfeld. Die Nachbarn hier im Industriegebiet seien nett. Ab und zu schenken sie etwas, Äpfel oder den Fernseher zum Beispiel. Einen Fernseher und ein Radiogerät zur Verfügung zu stellen ist schön, eigentlich ist es aber die Aufgabe des Sozialamtes. Es gäbe jedoch auch negative Vorfälle mit Anwohner*innen. Ein Mann sagte zu einem Mann aus Syrien „Go home it’s my fatherhomeland“, wieder ein anderer zeigte den Mittelfinger. Ansonsten aber seien viele Leute freundlich, beschwichtigen unsere Gastgeber. „„Go home!“ Übriggeblieben in Sülzfeld“ weiterlesen

„Go home!“ Übriggeblieben in Sülzfeld

Langeweile als Dauerzustand

09.08.2016, Obermehler

Im Zuge unserer Lagert(h)our besuchen wir ein weiteres Mal die Gemeinschaftsunterkunft in Obermehler, um uns die Situation der Geflüchteten, ein Jahr nach unserem letzten Besuch, nochmals anzuschauen. Mittlerweile wohnen in den sechs Wohnblöcken rund 680 Menschen. Zwei Blöcke werden von Human Care betreut. Die übrigen stehen unter der Verwaltung des Landratsamtes, wobei Human Care  für die Ausstattung verantwortlich ist. Auf den letzten Metern unserer Anfahrt, sehen wir bereits viele Menschen, die den Weg zwischen Schlotheim und Obermehler nutzen, um ihre Einkäufe nach Hause zu bringen. Angekommen treffen wir zwei Unterstützer vor Ort. Von ihnen erfahren wir grundsätzliche Informationen zur aktuellen Lage. Neu ist ein Zaun, der das gesamte Gelände umgibt. Die Vertreter erzählen uns, dass die Sicherheit der Bewohner*innen als Grund für den Bau angegeben wurde. Angeblich seien Kinder immer wieder auf die Landstraße, welche direkt vor den Unterkünften vorbeiführt, gelaufen. Warum auch die anderen Seiten mit einem Zaum versehen wurden, bleibt offen.

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Noch im Gespräch betreten wir das Gelände. Kinder spielen auf einem kleinen Platz mit Toren Fußball. Viele Menschen stehen auf dem Gelände in kleinen Gruppen und unterhalten sich. Bauarbeiter sind gerade dabei, ein paar alte Spielgeräte zu entfernen und durch einen neuen, jedoch sehr kleinen Spielplatz zu ersetzen. Die kaputte Hausfassade, die schon vor einem Jahr als Bild in unserem Bericht zu finden war, ist noch immer nicht „Langeweile als Dauerzustand“ weiterlesen

Langeweile als Dauerzustand

„Das ist kein Leben hier!“

08.08.2016, Meiningen

Als wir die ehemalige Mehrzweckhalle in Meiningen betreten, sind wir sprachlos. Seit November 2015 sind hier Geflüchtete untergebracht. Der Gang, der in die Halle hineinführt ist dunkel und seitlich bis unter die Decke mit Bauzäunen und Planen beschränkt. Hinter diesen befinden sich kleine Abteile, in denen die Geflüchteten untergebracht sind. Eines der Abteile verfügt weder über Tageslicht, noch über Fenster. In den besseren Abteilen mit einem kleinen Fenster, können diese nur mit einem Schlüssel von den Security-Mitarbeiter*innen geöffnet und geschlossen werden.

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In den dunklen und stickigen Abteilen stehen Doppelstockbetten aus Metall mit billigsten Schaumstoffmatratzen, Metallspinde, Tische und Stühle. Einige der Bewohner*innen klagen darüber, nur noch mithilfe von Tabletten Schlaf zu finden und durch die schlechten Matratzen jeden Tag mit Rückenschmerzen zu erwachen. „Die Zustände hier machen psychologisch krank. Das ist kein Leben hier!“, klagt ein Bewohnerin.

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„Das ist kein Leben hier!“

Wir wollen keinen Luxus

21.01.2016, Ershausen

Das neue Jahr hat begonnen und wir führen unsere Lagerthour fort. Dieses mal fahren wir in das kleine Dorf Ershausen im Eichsfeld. Dort lebt seit einem knappen Jahr eine albanische Familie. Sie waren mit unter den ersten Flüchtlingen, die in das Dorf geschickt worden. Wir wollen sehen, wie die Familie im Ort aufgenommen wurde und was die Unterbringung mitten im Nirgendwo mit ihnen macht. Über anderthalb Stunden brauchen wir mit unserem Auto von Erfurt aus, die Straßen werden immer kleiner und steiler. Überall liegt Schnee und die Sonne blendet uns.

In Ershausen treffen wir eine Unterstützerin der Familie. Sie hat unser Kommen mit der Familie vereinbart, auch weil wir dieses Mal jemanden von Radio F.R.E.I. dabei haben und erst einmal nachfragen wollten, ob die Familie mit einem Interview fürs Radio einverstanden sei. Die Unterstützerin bringt uns zu dem sanierten Neubaublock, in dem die Familie eine Wohnung bezogen hat. Mark, der Vater, begrüßt uns im Hausflur und bittet uns herein. Als unsere Übersetzerin ihn auf Albanisch begrüßt strahlt er überrascht und umarmt sie herzlich. Die kleine Wohnung ist sehr sauber, an der Wand hängen Bilder von Mutter Theresa und eine Ikone.

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Wir wollen keinen Luxus

Hallenunterbringung als Dauerprovisorium

25.01.2016, Erfurt

Die Thüringenhalle ist seit dem 08. Oktober 2015 eine „Notunterkunft“ der Stadt Erfurt. Bis zu 180 Geflüchtete waren hier zeitweise untergebracht, die meisten kamen aus der Notunterkunft auf dem Erfurter Messegelände. Wir hatten damit gerechnet, dass die Halle nur für eine begrenzte Zeit zur Unterbringung von Schutzsuchenden verwendet wird – mittlerweile sind fast vier Monate vergangen. Derzeit sind hier noch 85 Geflüchtete untergebracht, viele davon sind seit der Eröffnung da.

IMG_1910In der ehemaligen Konzerthalle zeigt sich ein deprimierendes Bild. Hölzerne Trennwände teilen die große Fläche in kleinere Abteile, die Eingänge dazu haben die Bewohner*innen provisorisch mit Bettlaken und Duschvorhängen verhangen, um wenigstens ein bisschen Privatsphäre zu haben. Licht kommt nur von den Kunstlichtlampen, hoch oben unter der Hallendecke. Die einzelnen Abteile sind nach oben hin offen, wenn die Lampen 22 Uhr ausgehen versinkt die Halle in totaler Finsternis und die Bewohner*innen müssen mit Handys oder Taschenlampen leuchten, wenn sie sich nicht tastend vorwärts bewegen wollen. „Hallenunterbringung als Dauerprovisorium“ weiterlesen

Hallenunterbringung als Dauerprovisorium

„I’m happy to have a home, but sometimes it’s a prison“

07.08.2015, Obermehler

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Sengende Hitze, Hitzeflirren über dem Asphalt, die vorerst letzte Station unserer Thour führt uns in den Nordwesten Thüringens nach Obermehler im Unstrut-Hainich-Kreis. 837 Einwohner*innen zählt der Ort, der 12 km nordöstlich von Mühlhausen gelegen ist.
Die Gemeinschaftsunterkunft liegt außerhalb des Ortskernes, in den ehemaligen Plattenbauten einer Kaserne der sowjetischen Truppen. Eröffnet wurde sie im März 2015. Als wir in den Ort einbiegen, wummern uns Bässe entgegen. Auf dem nahegelegenen Flugplatz ist ein Metal-Festival, Menschen mit schwarzen T-Shirts und Bandaufdrucken kommen uns entgegen oder suchen Schatten zwischen ihren parkenden Autos. Hundert Meter weiter hinter einem Pappelhain sind die beiden Blöcke der Gemeinschaftunterkunft. Von außen machen sie einen guten Eindruck, die Gebäude sind saniert, mit freundlichen Farben gestrichen und von den Balkonen hat man einen weiten Ausblick über die angrenzenden Felder. Es gibt viele Felder zu sehen, neben dem Flugplatz ist die Landwirtschaft der wichtigste Standortfaktor laut Wikipedia. „„I’m happy to have a home, but sometimes it’s a prison““ weiterlesen

„I’m happy to have a home, but sometimes it’s a prison“